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feature // 2008.08.01 08:23:54 [hh]

"Open Street Maps": die Neu-Vermessung der Welt für das "Wikipedia" der Geo-Daten und Karten

Die Konkurrenz des Web-Giganten "Google" ist verteilt über den Planeten und hört auf den Namen "Mapper", "Spinner" oder "Idealisten". Rund 30.000 Menschen wandern auf dem Planeten und kartieren mit GPS-Empfängern und zusätzlichen Tools die Welt neu, genauer als es "Google Maps" (die ja bald auch Fußgänger-Routing bieten wollen) heute bietet. Feldwege, Fußgänger-Wege, Ampeln, Briefkästen, S-Bahn-Stationen, Ski-Pisten und Biergärten selbst von kleinsten Dörfern werden dann plötzlich wie von Geisterhand sichtbar auf den Karten. Auf diese Weise sollen die detailliertesten Karten der Welt entstehen. Eine Lektion in "Wikipedia": vermutlich ist die Community des ehrgeizigen "Open Street Maps" Projektes wieder einmal schneller und detaillierter als dedizierte Companies.

So schreibt etwa ein User "Keimix" im Community Blog: "Zur Übung und zum Anfang habe ich mal Sackgassen und Fußwege in nächster Nähe erfaßt."

Es gibt kaum einen Geo-Dienst, der nicht auf das Kartenmaterial von "Google Maps" oder "Yahoo Maps" setzt (siehe "iPhone"!), das die Suchmaschinenbetreiber lizensieren.

Gerade diese Marktmacht und Dominanz finden viele bedenklich oder bedrohlich. Das "Open Street Maps" Projekt will deswegen eine eigene Weltkarte erstellen - und das ohne Lizenzkosten und ohne auf das Kartenmaterial der wenigen Anbieter zu setzen.

"OpenStreetMap is a free editable map of the whole world. It is made by people like you. OpenStreetMap allows you to view, edit and use geographical data in a collaborative way from anywhere on Earth", erklären die Macher auf der englischsprachigen Web-Site. "OpenStreetMap's hosting is kindly supported by the UCL VR Centre and bytemark."

Die Server des Dienstes stehen in England, im University College of London. Das bisherige Ergebnis kann sich sehen lassen: In Ballungsgebieten wie München sind die Straßen wesentlich detailierter verzeichnet als bei Google Maps. Besonders Fußwege sind bislang bei Google Maps noch Fehlanzeige, bei offenen Konkurrenzprodukt hingegen nicht. Auf eine Satellitenansicht müssen die Nutzer allerdings verzichten. Grund genug für die kommerziellen Dienste, nachzuziehen.


Einige Fragen und Antworten der Macher (von der deutschen Site openstreetmap.de)

Was ist OpenStreetMap?
OpenStreetMap ist ein Projekt mit dem Ziel, eine freie Weltkarte zu erschaffen. Wir sammeln weltweit Daten über Strassen, Eisenbahnen, Flüsse, Wälder, Häuser und alles andere, was gemeinhin auf Karten zu sehen ist. Weil wir die Daten selbst erheben und nicht aus existierenden Karten abmalen, haben wir selbst auch alle Rechte daran. Die OpenStreetMap-Daten darf jeder lizenzkostenfrei einsetzen und beliebig weiterverarbeiten.

Warum macht Ihr das?
Geoinformationen sind heutzutage selten frei erhältlich. Wer eine Anfahrtskizze auf seine Homepage stellen oder in ein Druckwerk einbinden möchte, kann dies oft nur durch das Einkaufen einer (unter Umständen sehr teuren) Lizenz für proprietäres Kartenmaterial tun.
Ähnliches gilt für Forschung und Lehre. Wer für den Unterricht eine Wahlkreiskarte oder dergleichen benötigt, muss oft auf proprietäre Daten zurückgreifen – oder begibt sich auf juristisches Glatteis.
Wer ein Navigationsgerät erwirbt, zahlt einen nicht unerheblichen Preis für das beiliegende digitale Kartenmaterial. Oftmals stellt sich erst nach dem Kauf heraus, dass das Material unvollständig und veraltet ist.
OpenStreetMap beendet die Abhängigkeit von den Anbietern proprietärer Daten und setzt dem reinen Konsumieren kreative Aktivität entgegen. Durch die Zusammenarbeit der Projektmitglieder entsteht eine freie Geodatenbank, die weltweit allen Menschen zur Verfügung steht.

Aber hat nicht Google kostenlose Karten?
Die Benutzung von Google-Karten (wie auch der vieler anderen Anbieter) ist zwar kostenlos, aber nicht frei. Auch Google knüpft Bedingungen an die Benutzung seiner Karten. In der Regel sind die Karten, die man im Internet findet, an die Benutzung der Webseiten oder der API des Anbieters gebunden. Schon eine solche Karte auszudrucken und weiterzugeben ist vielfach nicht erlaubt.
Außerdem stellt Google zwar Karten zur Verfügung, aber nicht die zugrundeliegenden Geodaten. Man kann die Karten also nur so nutzen, wie sie angeboten werden. Will man die Karten in einem anderen Stil oder will man einen eigenen Routing-Algorithmus ausprobieren, so kommt man nicht weiter. OpenStreetMap bietet auch die "rohen" Geodaten an, damit jeder sie so nutzen kann, wie er möchte.

Wie kann ich mitmachen?
Die meisten Mitglieder der OSM-Community beteiligen sich durch Mapping, also dadurch, dass sie mit einem GPS-Gerät Kartendaten sammeln und bei OpenStreetMap eingeben. Viele zeichnen auch dafür zugelassene Luftbilder ab und vervollständigen die Daten vor Ort. Auch Hilfe im "kleinen Stil" ist für das Projekt sehr wertvoll: Sind die Gegenden, in denen Du Dich auskennst, korrekt erfasst, oder findest Du Fehler, die Du verbessern könntest? Arbeitest Du vielleicht sogar bei der Post und kennst jede Menge Hausnummern auswendig?
Auch Programmierer sind bei OpenStreetMap immer gefragt, es gibt jede Menge zu tun – an der zentralen Datenbank, an den Editoren, an der Software, die die Karten zeichet, und an allen möglichen Hilfsprogrammen.

Hast Du vielleicht Zugriff auf Daten, die OpenStreetMap verwenden könnte? Luftbilder, alte Stadtpläne, deren Copyright abgelaufen ist, oder die GPS-Tracks Deiner Flotte von Kurierfahrzeugen? Immer her damit, das können wir sicher auch irgendwo gebrauchen.

Brauche ich ein GPS?
Die Datensammlung mit GPS ist eine der Arten, wie OpenStreetMap die Datenbank befüllt, aber bei weitem nicht die einzige. Auch, wenn Du kein GPS hast, kannst Du Dich an der Verarbeitung anderer Daten beteiligen, oder in Gegenden, in denen OpenStreetMap schon einiges erfasst hat, die Qualität überprüfen oder eigenes Wissen einbringen.

Was ist ein "Mapping Weekend" oder eine "Mapping Party"?
Damit man nicht nur alleine in der Gegend herumfährt und Kartendaten sammelt und sie dann am Rechner alleine eingibt, treffen sich Gruppen gelegentlich zu einer gemeinsamen Aktion. Typischerweise geht sowas ein Wochenende lang. Man nimmt sich ein Gebiet vor, das in einzelne Bereiche aufgeteilt wird, die dann von den Teilnehmern systematisch abgefahren werden. Irgendwo gibt es eine "Basisstation", zum Beispiel in einem Cafe mit Internet-Zugang oder in den Räumen einer Firma, wo man dann gemeinsam die Daten eingeben kann. Abends trifft man sich in einem Restaurant oder einer Kneipe zum gemütlichen Teil.
Mapping Parties sind ideal, um andere Mapper in der Community kennenzulernen. Für Anfänger bieten sie die Möglichkeit, die ersten Hürden gemeinsam mit erfahrenen Mappern zu überwinden. Und Spass macht das ganze auch noch.
Wie für alles im OSM-Projekt gibt es keine zentrale Organisation dieser Mapping-Parties. Wenn Du eine starten willst, dann tue es einfach. Die Koordination kann über das Wiki und die Mailingliste erfolgen. Welchen geographischen oder thematischen Bereich die Mapping Party umfassen soll, bleibt auch ganz Dir überlassen. Damit auch Anfänger ohne GPS-Gerät mitmachen können, können die Organisatoren einer Mapping-Party GPS-Geräte ausleihen.

Wie kann ich die Daten nutzen?
OpenStreetMap selbst bietet die gesammelten Daten entweder in Rohform oder in Form vorberechneter Kartenbilder an.
Zum Anschauen oder um schnell und unkompliziert eine Karte auf die eigene Webseite zu bringen, eignen sich die vorberechneten Kartenbilder am besten (auch die Karte auf OpenStreetMap.de arbeitet damit).
Wer eigene Berechnungen mit den Daten anstellen möchte oder Karten in einem selbst definierten Stil produzieren will, der benutzt statt fertiger Kartenbilder die Rohdaten. Die Rohdaten können als regelmäßig aktualisierte Datei heruntergeladen werden (das sog. "planet file" mit den Daten der ganzen Welt, oder Auszüge daraus mit Einzeldateien für verschiedene europäische Länder). Für kleinere Ausschnitte (bis rund 1000 km², weniger in Gebieten mit hoher Datendichte) gibt es die Rohdaten auch direkt über das Web-Interface auf www.openstreetmap.org ("Export"-Tab).

Wie ist das mit der Lizenz?
Alle Daten in der OpenStreetMap-Datenbank stehen unter der Lizenz "Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0" (auf Deutsch: "Namensnennung unter gleichen Bedingungen"). Die Lizenz besagt, dass jegliche Art der Nutzung von OSM-Daten, auch gewerblich, zulässig ist; es muss jedoch angegeben werden, woher die Daten stammen, und jedes Werk, das aus OSM-Daten abgeleitet ist, muss wiederum unter der CC-BY-SA-Lizenz stehen.
Jeder darf also zum Beispiel einen Fahrradatlas mit OSM-Karten produzieren und verkaufen – solange er dazu schreibt, dass die Daten von OSM kommen und solange der Fahrradatlas seinerseits die CC-BY-SA-Lizenz hat (das bedeutet wiederum: Jeder darf den Fahrradatlas kopieren oder als Basis für eigene Werke nutzen). Die Lizenz verhält sich ganz ähnlich wie die im Bereich freier Software verbreitete GNU General Public License (GPL).

Wie vollständig sind die Daten?
Da müssen wir gegenfragen: Was ist "vollständig"? Alle Autobahnen und Bundesstraßen? Oder alle Radwege und Briefkästen? Jede einzelne Hausnummer und jede Parkbank? – Der Detaillierungsgrad der OSM-Daten ist regional sehr unterschiedlich. In vielen Städten sind wir schon besser als die meisten proprietären Karten – aber anderswo ist bei uns ein weisser Fleck oder nur eine Durchgangsstrasse, wo eigentlich ein ganzer Ort hingehört. Jeder, der unsere Daten einsetzen will, muss sich selbst ein Bild davon machen, ob sie für den anvisierten Zweck "vollständig genug" sind. Wenn nicht: Einfach einen Monat später nochmal hingucken!

Wieviele Leute machen bei OpenStreetMap mit?
Weltweit haben (Stand April 2008) circa 30.000 Leute einen OpenStreetMap-Account. Davon waren im letzten Monat etwa 10% auch aktiv. Die Zahl der Mitmacher wächst rasant.
Siehe auch die Statistik im Wiki.

Wie finanziert sich das?
Alle Arbeit im Projekt wird von Freiwilligen getan, die dafür kein Geld bekommen. Die Server, auf denen die Datenbank und andere zentrale Dienste laufen, sind zum Teil gesponsort, zum Teil von einzelnen Projektmitgliedern aus eigener Tasche bezahlt. Den Serverbetrieb (Strom, Datenverkehr, usw.) bezahlen eine englische Universität und eine amerikanische Forschungseinrichtung. In Großbritannien gibt es einen OpenStreetMap-Verein, die Open Street Map Foundation, der ein geringes Maß an Spendengeldern einnimmt. Einzelne Veranstaltungen werden manchmal von interessierten Firmen gesponsort.


Weitere Informationen: www.openstreetmap.org

 

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